Förderverein für die Technischen Sammlungen der Stadt Dresden
Junghansstraße 1-3
01277 Dresden
Deutschland


Rechenautomaten mit Trommelspeicher

1. Die Rechenautomaten der Technischen Hochschule Dresden

1.1. Der Dresdener Rechenautomat D1

Im Institut für Maschinelle Rechentechnik der Technischen Hochschule Dresden entwickelte der EDV-Pionier Prof. Dr. Nikolaus Joachim Lehmann Rechenautomaten. Der Röhrenrechner D 1 wurde von 1950 bis 1955 in 2 Exemplaren für die numerische Mathematik entwickelt. Er bestand aus ca. 750 Röhren, 1.000 Selengleichrichtern und 100 Relais. Sein Trommelspeicher hatte 18.000 U/min.

Er arbeitete mit dualer Festkomma-Arithmetik. Die Dualzahlen hatten eine Länge von 68 Bits bzw. 20 Dezimalstellen. 20 Bits befanden sich vor dem Komma, 48 Bits nach dem Komma. [1]

1.2. Der Dresdener Rechenautomat D2

Als Einzelexemplar wurde der Röhrenrechner D2 von 1956 bis 1958 entwickelt. Er bestand aus ca. 1.400 Röhren, 2.000 Germaniumdioden und 100 Relais. Sein Trommelspeicher hatte 300 U/s.

Er arbeitete mit dualer Gleitkomma-Arithmetik. Die Dualzahlen hatten eine Länge von 42 Bits Mantisse und 5 Bits Exponent. Die Eingabe des Befehlscode und der Rechenwerte erfolgte wahlweise über den Leser für Lochstreifen oder die Tastatur. Die Ausgabe erfolgte über zwei Schreibmaschinen oder den Stanzer für Lochstreifen. Die Lochstreifen bestanden aus Filmmaterial. Aus dem D2 entstand ab 1960 der Röhrenrechner D3 als “Auf-Tisch-Gerät”. Er wurde durch den Transistorrechner D4a ersetzt. [1]

1.3. Der Kompaktrechenautomat D4a

1.3.1. Hardware

Beim Kompaktrechner D4a konnte durch die Verwendung von ca. 220 Germanium-Transistoren GF 105 der Baureihe mit 5 MHz die Taktfrequenz von 317 kHz gegenüber dem SER 2 fast verzehnfacht werden. In jedem D4a befanden sich Tastenfelder für die Bedienung und Eingabe. Ein ebenfalls eingebauter Lochbandleser mit 50 Zeichen/s ermöglichte eine rationellere Eingabe. Auch der Trommelspeicher mit 18.000 U/min war eingebaut. Die Ausgabe der Ergebnisse erfolgte über einen Streifendrucker.

Im Kabinett des Instituts für Maschinelle Rechentechnik der TH Dresden wurde die Gerätetechnik aufgerüstet. Die Eingabe erfolgte über externe Lochbandleser mit max. 150 Zeichen/s, die Ausgabe über Schreibmaschinen mit max. 12 Zeichen/s. Ein Lochbandstanzer mit max. 50 Zeichen/s ergänzte das Gerätesystem. [1]

1.3.2. Historischer Hintergrund

Als 1962 die Hochfrequenz-Transistoren verfügbar wurden, konnte als abgerüstete Variante des D3 der Kompaktrechner D4a entwickelt werden. Dieser Rechner der niedrigsten Preisklasse erreichte mit einem geringen Aufwand an Bauelementen eine hohe Rechengeschwindigkeit. Bis 1964 wurden 6 Stück D4a produziert. Die ersten drei Exemplare erhielt das Kabinett des Instituts. Die restlichen drei Exemplare wurden in Dresdner Betrieben genutzt [1].

2. Die Kleinrechenautomaten für Lochbänder

2.1. Die Kleinrechenautomaten SER 2

2.1.1. Hardware

Der Kleinrechenautomat SER 2 enthielt etwa 2.700 Ge-Dioden, etwa 850 Ge-Transistoren der Baureihe mit 100 kHz sowie 16 Relais. Er hatte eine Taktfrequenz von 35 kHz. Die vier Grundrechenarten für 12-stellige Dezimalzahlen einschließlich Runden, Kommarechnung und Vorzeichen waren als Hardwarelogik ausgeführt. Die zu verarbeitenden Operanden wurden im Rechenregister und im Akkumulator bereitgestellt.

Die mittlere Zugriffszeit zum Trommelspeicher betrug 11 ms. Er bestand aus einem Speicher für 1.270 Dezimalziffern und einem Befehlsspeicher für 381 Einzelbefehle. Das Bedienungspult befand sich an der Zentraleinheit. Die elektrische Schreibmaschine SE 5 konnte nur für die Ausgabe eingesetzt werden. Als Eigenentwicklung waren auch ein Lochbandleser mit 20 Zeichen/s und ein Lochbandstanzer mit 10 Zeichen/s entstanden. [2]

2.1.2. Historischer Hintergrund

Der SER 2 wurde von 1960 bis 1962 durch ELREMA entwickelt und bereits auf der Leipziger Herbstmesse 1961 vorgestellt. Die Leistungsfähigkeit wurde schrittweise verbessert und die Typen SER 2b, SER 2c und SER 2d bis 1968 in den Mercedes Büromaschinenwerken in Zella-Mehlis produziert. Beim SER 2d war gegenüber dem SER 2a die Speicherkapazität verdoppelt worden. Insgesamt wurden über 1.000 Kleinrechenautomaten der Typen des SER 2 in Betrieben und Institutionen für Berechnungen in Ökonomie, Wissenschaft und Technik eingesetzt [2].

2.2. Die Kleinrechenautomaten C 8205

2.2.1 Hardware

Durch Überarbeitung von Gehäusekonzeption und Magnetspeicher sowie Umstellung der Bauelemente von Germanium auf Silizium wurde aus dem Kompaktrechanautomaten D4a der Kleinrechenautomat C 8205. Er wurde 1977 mit zusätzlichen peripheren Geräten aufgerüstet. Die Lochbandeinheit wurde modernisiert. Ein Lochkartenleser war anschließbar. Maximal 4 zusätzliche externe Trommelspeichermit 18.000 U/min konnten betrieben werden. Das Schreibwerk wurde nur noch für Dialogverkehr benutzt, da ein alphanumerischer Mosaikdrucker für die Listenausdrucke zur Verfügung stand. Anstelle der Lochbänder konnte bereits eine Magnetbandeinheit für Kassetten in digitaler Qualität mit zwei Aufzeichnungs- und Wiedergabegeräten benutzt werden. Diese neue Variante wurde als C 8205 Z bezeichnet. [2]

2.2.2. Historischer Hintergrund

Als im Jahre 1967 der SER 2 technisch veraltet war, sollte die Institutsentwicklung D4a im VEB Rechenelektronik Meiningen/Zella-Mehlis als Cellatron C 8201 in Großserie produziert werden. Der D4a war für kommerzielle Dauerbelastung jedoch nicht geeignet. Durch Neukonzeption entstand der Kleinrechenautomat C 8205, der 1969 in Serie überführt wurde. Die Familie der Kleinrechenautomaten C 8205, C 8205 Z und C 8206 erreichte eine Stückzahl von etwa 3.000, wobei über die Hälfte davon exportiert wurde. Die Anlagen mußten nach Einstellung der Serviceleistungen durch die Abwicklung des Kombinates Robotron ab Ende 1990 außer Betrieb genommen werden [2].

3. Die Rechenautomaten für Lochkarten

3.1. Der Zeiss-Rechenautomat ZRA 1

3.1.1. Hardware

Der Zeiss-Rechenautomat ZRA 1 als Ferritkernrechner bestand aus 8.500 Ferritkernen, 12.000 Germaniumdioden und 720 Elektronenröhren PL 84. Er hatte einen Trommelspeicher mit 12.000 U/min und 4096 Worte zu je 48 Bit.

Seine Logikschaltungen bestanden aus Ferritkernen mit mehreren Wicklungen. Die Ferritkerne bewirkten die Darstellung der Logikwerte durch Impulse. “Kein Impuls” entsprach dem niedrigen Pegel bzw. Low-Wert, “ein Impuls” entsprach dem hohen Pegel bzw. High-Wert. Die Dioden dienten der Entkopplung der Schaltkreise. Die Röhren wurden als Taktimpulstreiber und als Verstärker betrieben.

Der ZRA 1 rechnete intern dual. Die Zahlen hatten bei Festkomma-Arithmetik eine Wortlänge von 48 Bit mit 11 dezimalen Stellen. Bei Gleitkomma-Arithmetik hatten sie 9 Dezimalstellen und zwei dezimale Schutzstellen gegen Rundungsfehler.

Die Eingabe erfolgte über einen mechanischen Lochkartenleser oder einen 5-Kanal-Lochstreifenleser. Die Lochstreifeneingabe folgte dem üblichen Prinzip der spaltenweisen Eingabe. Eine Tetrade wurde verschlüsselt eingegeben und ein Prüfbit hinzugefügt. Die Eingabe der üblichen 80-spaltigen Lochkarte jedoch erfolgte aus Geschwindigkeitsgründen zeilenweise. Ein spezielles Erfassungsgerät für Tetraden, TETRALO genannt, ermöglichte die Erfassung von 12 Tetraden pro Zeile. Als Ergänzung und zur Überbrückung von Ausfallzeiten wurden auch die einfachen mechanischen Lochungsgeräte von IBM oder die elektromagnetischen von SOEMTRON eingesetzt.

Die Ausgabe erfolgte über einen Streifendrucker mit 1 bis 6 Spalten. für dezimale Zahlenwerte in festem oder gleitendem Komma. Der dezimale Exponent bei halblogarithmischer Ausgabe wurde um 20 vergrößert ausgegeben [3], [4].

3.1.2. Software

Direktassembler: Der sogenannte Direktassembler benötigte keinen Compiler. Die 48 Bit langen Ein-Adreß-Befehle bestanden aus

  • Operationscode,
  • Rechenteil,
  • Testteil für bedingte Operationen,
  • Transportteil für Trommeltransporte sowie Sprung- und Stop-Operationen,
  • Adreßteil für Grundadresse, Indexregisteradresse und Adressoperation.

Der Operationscode wurde ein- und zweistellig alphanumerisch abgelocht.

ALGOL-Compiler: Ab 1962 war ein von Roland Strobel in der Deutschen Akademie der Wisssenschaften in Berlin entwickelter Zweipass-Compiler für ALGOL 60 verfügbar. Aus Speicherplatzgründen mußte für die beiden Übersetzungsläufe zweimal ein Kartenstapel von 12 cm Höhe eingelesen werden [4].

Anwenderprogramme: An der TH Ilmenau war ein ZRA 1 von 1962 bis 1971 in Betrieb. Berechnet wurden elektrische Energienetze, Transistoren, Transformatoren und Leistungsschalter, aber auch mechanische Getriebe für den Antrieb von Geräten und Maschinen. Ab 1964 wurde auch an einem Projekt zur Gehaltsberechnung für die Zentrale Gehaltsstelle des Bezirkes Suhl gearbeitet. ALGOL-Programme des ZRA 1 ließen sich später problemlos auf den R 300 übertragen [5].

3.1.3. Historischer Hintergrund

Von 1956 bis 1960 wurde der ZRA 1 als erster wissenschaftlich-technischer Digitalrechner der DDR in der Firma Carl Zeiss Jena unter der Leitung von Wilhelm Kämmerer, Herbert Kortum und Fritz Straube entwickelt. Bis 1964 wurde der ZRA1 im Betriebsteil Saalfeld produziert. In Universitäten, Hochschulen und Akademien befanden sich 31 Stück ZRA 1 im Einsatz [3]. An der TH Ilmenau war ein ZRA 1 von 1962 bis 1971 in Betrieb. Berechnet wurden elektrische Energienetze, Transistoren, Transformatoren und Leistungsschalter, aber auch mechanische Getriebe für den Antrieb von Geräten und Maschinen. Ab 1964 wurde auch an einem Projekt zur Gehaltsberechnung mit ALGOL-Programmierung für die Zentrale Gehaltsstelle des Bezirkes Suhl gearbeitet, das sich später problemlos auf den R 300 übertragen ließ [5]. Wegen seiner Programme im Direktassembler für den laufenden Betrieb des Forschungsreaktors baute das Zentralinstitut für Kernphysik in Rossendorf bei Dresden den ZRA 1 1970 funktionell als Einzelexemplar in Transistortechnik nach [4].

3.2. Der Rechenautomat Robotron 100

3.2.1. Hardware

Der Rechenautomat Robotron 100 hatte einen Magnettrommelspeicher mit 6.000 U/min. und einer Speicherkapazität von 940 Worten zu je 54 Bits. Er besaß eine Festkommaarithmetik mit 12 Dezimalziffern, Vorzeichen und Rundungsstelle. Er rechnete jedoch intern dual. Ein internes Schnellregister mit drei Dezimalstellen beschleunigte die Prozentrechnung. Die Befehlslänge betrug 27 Bits.

Das Bedienungspult war separat, ebenso die elektrische Schreibmaschine von Cellatron mit einer Geschwindigkeit von 12 Anschlägen/sec. Über diese erfolgte die manuelle Ein- und Ausgabe von Befehlen und Daten.

Die Eingabe und Ausgabe von Lochkarten erfolgte über das separate Ein- und Ausgabegerät EAG.

Dieses war über eine Schalttafel programmmierbar. Es besaß eine Abfühlbahn und eine Stanzbahn. Je Stunde konnten maximal 6.000 Karten gelesen oder gestanzt werden [6].

3.2.2. Historischer Hintergrund

Der Rechenautomat Robotron 100 war bezüglich seiner Magnettrommel vergleichbar dem Digitalrechner IBM 650. Er wurde anschließend an die Entwicklung des SER 2 von 1962 bis 1964 im VEB ELREMA unter der Leitung von Dr. Joachim Schulze entwickelt und nach Auslaufen der Produktion des ZRA 1 im Betriebsteil Saalfeld der Zeisswerke Jena produziert. Beim Rechenautomaten Robotron 100 waren die vier Grundrechenarten genauso hardwaremäßig realisiert wie beim SER 2. Er konnte in einer Lochkartenstation dieselben Aufgaben übernehmen wie dieser in einer Lochbandstation. Er konnte z. B. für Planungsaufgaben, Bruttolohn-, Nettolohn- und Materialabrechnung eingesetzt werden.

Autoren und Quellen

Autor zu 1. bis 3.: Thomas Schaffrath; Dipl.-Phys., Logikentwerfer, Informatikassistent Wirtschaft

[1] Joachim Scholz: Besonderheiten der Rechenautomaten D1, D2 und D4a, in Naumann/Schade: Informatik in der DDR – eine Bilanz, ISBN 978-3-88579-420-2
[2] Christine Krause, Dieter Jacobs: Von der Schreibmaschine zu Mikrorechnersystemen, ebd.
[3] Hans Jürgen Grunewald: Beitrag der Zeiss-Werke in Jena und Saalfeld zur Entwicklung der Rechentechnik in der DDR, ebd.
[4] Immo O. Kerner: OPREMA und ZRA 1 – die Rechenmaschinen der Firma Carl Zeiss Jena, ebd.
[5] Reinhold Schönefeld, Günter Bräuning: Anfänge der Informatik an der TH Ilmenau von den 50er bis zu den 70er Jahren, ebd.
[6] VEB Bürotechnik Berlin W8: Prospekt ROBOTRON 100 in Sammlung FV TSD